• andrespee postedin der Gruppe Nachhaltigkeit

    vor 2 Jahren, 11 Monaten
    Kolumne Dr. Christian Waigel (WAIGEL RECHTSANWÄLTE) Nachhaltigkeit in Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung Im April hat die EU-Kommission ihre Vorschläge, wie Nachhaltigkeitswünsche der Kunden in die Anlageberatung und die Finanzportfolioverwaltung einzubeziehen seien, vorgestellt. Leider sind die Anforderungen deutlich umfangreicher als befürchtet. Nach den ersten Ankündigungen vor zwei Jahren hatte ich die Hoffnung, bei den Anlagezielen des Kunden im WpHG-Bogen lediglich die Präferenzen des Kunden zu den Themen Ökologie, soziale Gerechtigkeit und Good-Governance-Investitionen abfragen zu müssen. Dann hätten die Institute die Flexibilität gehabt, diese Aspekte entsprechend ihrer geschäftspolitischen Ausrichtung zu definieren und zu gewichten und dem Kunden ein adäquates Angebot zu machen. Vor allem für kleinere Institute wäre das ein pragmatischer Weg gewesen. Leider kommt es nun anders. Das beginnt schon damit, dass es nicht allein bei der Kundenabfrage seiner Anlageziele bleiben soll, sondern der Vorschlag auch Vorgaben für die Organisation der Institute beinhaltet. Nachhaltigkeitsrisiken sollen in die Risikoüberwachung aller Institute einbezogen werden. Dabei dürfen die Institute nicht nur die für sie unmittelbar relevanten Nachhaltigkeitsrisiken adressieren, sondern alle relevanten Nachhaltigkeitsrisiken im Sinne der Offenlegungsverordnung. Das sind alle Ereignisse in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung deren Eintreten wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investitionen haben könnte (Art. 2 Ziff. 22 Offenlegungsverordnung). Um sicherzustellen, dass die organisatorischen Vorkehrungen darauf auch ausgelegt werden, sollen die Prozesse, Systeme und internen Kontrollen von Wertpapierfirmen den Nachhaltigkeitsrisiken Rechnung tragen und technische Kapazitäten und Kenntnisse für die Analyse dieser Risiken vorgehalten werden. Das heißt aber nichts anderes, als dass alle Institute verpflichtet werden, sich nun mit den Nachhaltigkeitsrisiken auseinanderzusetzen. Hatte die Offenlegungsverordnung noch ein Opt-out vorgesehen, gibt es dieses Opt-out für die Wertpapierdienstleistungen Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung nicht. Damit war das Opt-out in der Offenlegungsverordnung nur ein Aufschub. Überraschend ist vor allem, dass Nachhaltigkeitsaspekte auch bei den Interessenkonflikten eine Rolle spielen sollen. Um einen hohen Anlegerschutz aufrechtzuerhalten, sollen die Institute sicherstellen, dass sie bei der Ermittlung von Interessenkonflikten, die dem Kunden schaden könnten, auch diejenigen berücksichtigen, die sich aus der Integration der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden ergeben. Das bedeutet Arbeit an zwei Baustellen, nämlich einmal bei der Risikosteuerung und beim Conflict of Interest-Management, d. h. zwei Stellen im Orga-Handbuch, wo nachgearbeitet werden muss. Leider lassen die Entwürfe noch vollständig offen, wo diesbezüglich die Interessenkonflikte liegen sollen. Ich hoffe, dass an dieser Stelle die Vorgaben der Politik nicht zu weit gehen werden. Wenn man nämlich einen generellen Interessenkonflikt zwischen renditeorientiertem Anlegen und nachhaltigem Anlegen annehmen würde, müssten die Institute eine Art Chinese Wall zwischen Nachhaltigkeitsanlagen und Renditeanlagen einziehen, damit sich diese möglicherweise gegenteiligen Investmentansätze im Institut nicht in die Quere kommen und entsprechende Interessenkonflikte ausgelöst werden. Denn verabschieden sich nachhaltigkeitsorientierte Anleger z. B. aus der Braunkohleverstromung, kann dies zu Wertverlusten für andere Anleger führen, die in entsprechende Versorger investiert sind. Und dann stellt sich natürlich die Frage, was tun? An diesem Punkt sind dringend Hinweise der Regulatoren erforderlich. Sehr detailliert sind die Vorgaben zur Erfassung der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden. Es wird zunächst die Verpflichtung angeordnet, dass Institute die Kunden zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen haben. Das ist im Rahmen der Abfrage der Anlageziele vorzunehmen. Die Nachhaltigkeitspräferenzen werden ausdrücklich definiert. Es ist die Entscheidung des Kunden, ob und inwieweit die folgenden Finanzinstrumente für ihn einbezogen werden sollen: Finanzinstrumente, die der Taxonomieverordnung entsprechen, d. h. dem Regelwerk der EU zur Definition ökologischer Investments. Das sind Wirtschaftstätigkeiten, die einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines der Umweltziele nach Art. 9 der Taxonomieverordnung leisten und keine erhebliche Beeinträchtigung der anderen Umweltziele mit sich bringen. Diese Wirtschaftstätigkeiten werden in sehr umfassenden delegierten Rechtsakten zur Taxonomieverordnung festgelegt und sind bis heute noch nicht abschließend definiert. Finanzinstrumente mit einem Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen im Sinne von Art. 2 Nr. 17 der Offenlegungsverordnung. Diese Ergänzung ist notwendig, weil die Taxonomie nur für den Bereich Ökologie existiert, für die Ziele soziale Gerechtigkeit und Good Governance aber keine Taxonomie verabschiedet worden ist. Deswegen umschreibt Art. 2 Nr. 17 der Offenlegungsverordnung zusätzlich soziale Ziele und Good-Governance-Ziele. Finanzinstrumente, welche die wichtigsten nachhaltigen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen, das werden in der Regel die Produkte nach Art. 9 der Offenlegungsverordnung sein, mit denen nachhaltige Investitionen im Sinne von Art. 9 der Offenlegungsverordnung angestrebt werden. Die Nachhaltigkeitspräferenzen sind an Regeln gebunden und normbasiert. Dadurch sollen Bedenken in Bezug auf Greenwashing ausgeräumt werden. Es soll verhindert werden, dass durch die Empfehlung eines Finanzinstruments als umweltfreundlich oder nachhaltig ein unfairer Wettbewerbsvorteil erlangt wird, obwohl das Finanzinstrument grundlegenden Umwelt- oder sonstigen Nachhaltigkeitsstandards eigentlich nicht entspricht. Durch eine Ergänzung von Art. 54 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2017/565 wird die Geeignetheitsprüfung bzw. der Suitability-Test ergänzt. Im Rahmen der Geeignetheitsprüfung haben die Institute zusätzlich festzustellen, ob Finanzinstrumente auch den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden entsprechen. Entsprechend wird auch Art. 54 Abs. 10 DV 2017/565 verschärft. Das Institut darf dem Kunden keine Finanzinstrumente empfehlen, die nicht seinen Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechen, und keine Handelsentscheidungen bezüglich solcher Instrumente im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung fällen. Doch damit nicht genug, auch der berühmte Äquivalenztest wird erweitert. Institute müssen im Rahmen der Äquivalenzprüfung die Merkmale der von ihnen ausgewählten Finanzinstrumente zusätzlich auch auf Nachhaltigkeitsfaktoren überprüfen, um zu beurteilen, ob äquivalente Wertpapierdienstleistungen bzw. Finanzinstrumente dem Profil des Kunden gerecht werden können. Damit muss das Institut in seinem Research zu dem von ihm angebotenen Anlageuniversum auch Nachhaltigkeitsfaktoren von Finanzinstrumenten auswerten. Findet das Institut kein Finanzinstrument aus seinem Universum, das den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden entspricht, und entscheidet sich der Kunde deswegen, seine Nachhaltigkeitspräferenzen anzupassen, so müssen diese Kundenentscheidung und ihre Begründung aufgezeichnet werden. Ebenso ist die Geeignetheitserklärung in der Anlageberatung zu ergänzen, und zwar dahingehend, wie die abgegebene Empfehlung für den Privatkunden auch auf seine Nachhaltigkeitspräferenzen abgestimmt wurde. Damit sind die bestehenden Geeignetheitserklärungen zu überarbeiten. Diese Ergänzungen wirken zunächst nicht dramatisch. Mit den wenigen Ergänzungen in den delegierten Rechtsakten zur MiFID II sind aber erhebliche Aufwände verbunden, vor allem weil die Definition der Nachhaltigkeitspräferenzen in die Taxonomie- und in die Offenlegungsverordnung führt. Die Institute können daher nicht nach eigenem Ermessen Nachhaltigkeitskriterien definieren, sondern müssen ihr Angebot regelbasiert auf diese Normen ausrichten. Ein Opt-out zum Thema Nachhaltigkeit wird daher nicht mehr möglich sein. Der Zeithorizont ist dafür aus meiner Sicht denkbar knapp, nach Veröffentlichung soll nur ein Jahr Zeit bleiben. Der Vorschlag ist zwar frisch, ich rechne aber mit einer Verabschiedung noch in diesem Jahr, so dass im nächsten Jahr die Umsetzung beginnen muss. Mit den besten Grüßen Ihr Dr. Christian Waigel Rechtsanwalt

    Dr. Christian Waigel ( Quelle DAB - Marketing B2B 31.05.2021 )

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